Lviv / Львів 2: Mittwoch (Abend)
Begebe mich nach der Mittagsruhe wieder auf die Straße. Geschäftiges Treiben. Werde abgefangen. Man will mir eine Tour verkaufen. Verschiebe die Entscheidung auf später. Ab jetzt regnet es. Schaue mir einige Sehenswürdigkeiten im vorbei gehen an. Beschließe, einen Grusiner zu kontaktieren, also grusinisch Essen zu gehen. Kontakt mit dem Personal wird per App hergestellt. Weiß jetzt, wie das Zeug heißt, nicht was drin ist. Bekomme Teigtaschen mit Hackfleisch gefüllt, dann so was wie Pizza nur mit Käse. Hake es ab.
Sehe mir eine Fotoausstellung an. Es geht um die Maidan-Proteste und den Krieg im Donbas. An Fotos mit Leichen wurde nicht gespart. Überhaupt auffällig in der Stadt: viele sehr junge Soldaten, manchmal zusammen mit ihren Mädchen.
Gehe in eines der berühmten Kaffeehäuser und bekomme tatsächlich Mohnkuchen. Die Bedienung spart nicht am Wortschwall. Momentan käme ich mit der Anzahl ihrer Worte pro Minute einen ganzen Tag aus.
Mit Beginn der Dämmerung verstärkt sich die Geschäftigkeit noch mal deutlich. Ist jetzt ein bisschen wie Berlin.
Besuche die Philharmonie. Schönes Gebäude. Hinter der Bühne ist eine Orgel installiert. Die Pfeiffen haben deutliche Dellen. Der Saal ist voll. Das Publikum ist bunte gemischt, auch Familien mit ihren Kindern. Gespielt wird Tango-Musik, begleitet von Tanzpaaren und ideenreichen Schattenspielen hinter einer Leinwand. Irgendwie muss es immer Gründe für die Zuschauer geben, nach jedem gespielten Titel raus zu gehen. Immer wieder klingeln Handys. Das ändert sich auch nicht deutlich, als die Ansagerin darauf hinweist. Viele Besucher haben Blumen dabei, die sie den Akteuren am Ende unter tosendem Applaus überreichen.
Gehe in den angeblich ersten Pub der Ukraine, direkt unter der Philharmonie. Werde mit der Bedienung einig, dass sie mir neben dem Bier Hähnchen bringen soll. Nicht schlecht, wie sie so ein Geflügel nachmachen kann. Zum Dank lasse ich das Trinkgeld etwas höher ausfallen. Nett: Der Chef verteilt es im Anschluss gleich an beide Bedienungen.
Ein paar Meter weiter stoße ich auf den Pub „Bierlin-Lemberg“. Cooler Name. Das Bier kommt vom Fass in eine Flasche und danach ins Glas. Warum? Der Laden wird eher von jungen Leuten frequentiert. Der Tisch klebt ordentlich. Muss wahrscheinlich so sein. Geraucht wird übrigens überall draußen. Warum sind die hier eigentlich nicht in der EU?
Sitze später im Hostel mit dem Angestellten und seinen drei Kumpels zusammen. Sie können “ Was wollen wir trinken, sieben Tage lang“ auswendig, was wir dann auch getan haben. Befragt nach ihren Problemen, heißt es, der schlecht Wechselkurs wird nur zum Problem, wenn sie ins Ausland wollen. Im Inland passen sich die Preise an. Das Bier in der Kneipe kostet nicht mehr, wie 20 Griwna, Wechselkurs momentan 1:27. Zur Armee wollen sie eigentlich nicht, müssten aber nach dem Studium. Sie sagen, hauptsächlich die ungebildeten Leute vom Dorf gehen zur Armee. Der Staat würde die Soldaten nicht ordentlich bezahlen.
Schöne grüße aus der Brauerei! Else und Kollegen 😉